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Nadja Auermann, fotografiert von Peter Lindbergh. Beide meditieren regelmäßig |
Sie ist die tiefste aller Intimitäten: nämlich die mit uns selbst. Aber wie genau funktioniert Meditation? Und warum macht sie uns glücklicher als alles andere? ELLE-Chefredakteurin Sabine Nedelchev hat einen gefragt, der es wissen muss...
Der Mann meditiert seit 40 Jahren. 20 Minuten - jeden Morgen, jeden Abend. Aber Dr. Ulrich Bauhofer wirkt trotz glatt rasiertem Schädel weder entrückt noch heilig. Eher stylish: malvenfarbener Cashmererolli, schwarze Chinas. Und: sehr gut gelaunt. Gelernt zu meditieren hat der Mediziner und Ayurveda-Experte in Indien. Wie die Beatles war er bei dem großen indischen Lehrer Maharishi. Nur eben viel länger. Heute berät er Dax-Firmen zum Thema Gesundheitsmanagement, führt in die Meditation ein. Und mit seiner Praxis hilft er Menschen, die neben klassischer Schulmedizin nach natürlichen Möglichkeiten suchen. Da macht er keine Unterschiede zwischen Hollywoodstars oder Patienten aus der Münchner Nachbarschaft.
ELLE: Herr Bauhofer, wie geht Meditation? Ulrich Bauhofer: Man setzt sich entspannt hin und schließt die Augen. Jetzt kommt die Technik. Es gibt viele verschiedene. Meine heißt "Transzendentale Meditation". Die ist durch Anhänger wie Clint Eastwood, Donna Karan oder jetzt Comedian Russell Brand öfter mal in der Presse.
ELLE: Und was bedeutet "transzendental". U. B.: Du überschreitest die gröberen Ebenen des Denkens. Und lässt schließlich dessen feinsten Aspekt hinter dir. Dann kommst du zum puren Sein. Jenseits der Ratio, jenseits der Sinne. ELLE: Und wie muss man sich das vorstellen? Hören wir noch unser Herz schlagen? Sehen wir Farben, ist es dunkel, ist es heiß oder kalt? U. B.: Es gibt ein schönes Bild, um es etwas anschaulicher zu machen. Sehen wir uns als eine Welle im Ozean: Wie groß bin ich? Wie schnell? Wie hell ist meine Schaumkrone. Erst die individuellen Eigenschaften heben mich von anderen Wellen ab. Jetzt beginnt die Welle zu meditieren: Sie setzt sich, wird breiter und irgendwann so flach, dass sie mit dem Ozean verschmilzt. Und ihr individuelles Dasein aufgibt. Da versteht die Welle: Ich bin an meiner Basis ja etwas viel Größeres - der ganze Ozean. Also auch die nächste Welle. Und die dahinter… ELLE: Wie genau komme ich zu diesem Zustand des Ozeans? Wie kann ich die Gedanken, die doch eigentlich immer da sind, hinter mir lassen? U. B.: Man kann sich das so vorstellen: Wenn ich schnell und laut denken kann, kann ich auch langsam und leise denken. Als Hilfestellung bekommt der Geist in der Meditation ein Mantra - einen Wortklang also. Wir stimmen ihn an, und mit der Zeit wird er immer leiser und verschwommener. Der Geist reitet auf dem Mantra in immer feinere Ebenen, sinkt tiefer, bleibt aber (anders als im Schlaf) ganz wach. Das Mantra ist nur ein Vehikel. Das parken wir dann an der Schwelle zu dem, was die Yogis "Samadhi" - Glückseligkeit - nennen. Oder wie Goethe es beschrieb: "Sofort nun wende dich nach innen: Das Zentrum findest du da drinnen, woran kein Edler zweifeln mag. Wirst keine Regel da vermissen..." ELLE: Goethe hat meditiert? U.B.: Er hat in jedem Fall diese Erfahrung gemacht... ELLE: Muss man dafür lange üben? U. B.: Nein, wenn man den Prozess einleitet, dann passiert das automatisch. Der Geist wird von dieser Ruhe angezogen. Sie ist ihm extrem angenehm. ELLE: Ist es dabei egal, ob ich ein flattriger oder phlegmatischer Typ bin? Kann jeder meditieren? U. B.: Jeder, der denken kann, kann auch immer leiser denken. Wichtig ist, dass man es bei einem Lehrer lernt und nicht selbst herumexperimentiert. ELLE: Was passiert dabei mit dem Körper? U. B.: Geist und Körper gehen immer gemeinsam. Auch er kommt vollkommen zur Ruhe. Atmung, Herzfrequenz, Herzminutenvolumen nehmen ab. Ebenso die Stresshormone wie Cortisol. Der Blutdruck senkt sich. ELLE: Meditation statt Betablocker, ginge das? U. B.: Es gibt viele Studien, die belegen: Leute, die regelmäßig meditieren, können ihren Blutdruck senken, Angststörungen überwinden und die ganzen stressbedingten Erkrankungen positiv beeinflussen. ELLE: Wird man durch Meditation schlauer? U. B.: Sagen wir so: Auch unser Gehirn wird gereinigt. In der Physik gibt es ein Naturgesetz: "Wenn ich ein System beruhige, ordnet es sich." Während der Meditation kann man das messen. Die Gehirnwellen synchronisieren sich, werden geordneter. Das macht auf Dauer im Kopf kreativer und belastbarer. ELLE: Braucht man zur Meditation absolute Ruhe? U. B.: Wenn ich es mir aussuchen kann, meditiere ich gern in einer ruhigen Umgebung. Aber das ist kein Muss. Ich kann es auch im Flugzeug oder in der Bahn. ELLE: Ist der Lotussitz optimal? U. B.: Nur wenn man darin entspannt sitzen kann. Ansonsten wie auch immer es bequem ist. ELLE: Warum nicht im Liegen? U. B.: Da sind wir zu sehr auf "Schlaf" konditioniert. ELLE: Wer hat eigentlich die Meditation erfunden? U. B.: Alle Meditationsformen stammen aus dem Yoga. Heute wird der Begriff eher für körperliche Gymnastik benutzt. Eigentlich ist Yoga aber: Einheit - von Körper und Geist. Sie schafft das "bewusste Sein". Dazu gehören Atem-, Reinigungs-, Körperübungen. Und "Dhyana" - die Meditation. ELLE: Ist Meditation mit Glauben verbunden? U. B.: Absolut nicht. Es ist heute eine Form der inneren Reinigung. Wie Duschen. Nur im Kopf. ELLE: Warum meditieren Sie eigentlich? U. B.: Diese geistige Hygiene führt dazu, dass ich mich anders verhalte. Ich bin so ein angenehmerer Zeitgenosse. Toleranter, ausgeglichener. Damit kann ich meine Beziehungen gelassener gestalten und richte möglichst wenig emotionalen Schaden an. ELLE: Macht Gelassenheit bessere Beziehungen? U. B.: Ja. Dann treten nicht meine eigenen Stressmuster in den Vordergrund. Ich kann Menschen objektiver wahrnehmen. Und Probleme ohne gefühlsmäßige Verstrickungen sachorientierter lösen. ELLE: Wenn wir so gelassen werden, verlieren wir dann zu viel an Ehrgeiz, Hunger und Dynamik, um dieses Leben heute zu packen? U. B.: Nein. Meditation ist kein Tranquilizer. Sie macht wach, präsent und verändert nicht unseren Charakter. Um in dieser Gesellschaft wirklich leistungsstark zu sein, muss ich erst mal verstehen, wer ich wirklich bin. Das kann Meditation besonders gut. Nichts bringt mich mir selbst näher!
Mehr Infos zu Ulrich Bauhofer, Ayurveda und Meditation finden Sie unter www.drbauhofer.de
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